12 September 2012

Sommerbilanz



Mit dem Ende des meteorologischen Sommers werde ich nicht zum Schuhanzieher. Daher ist die folgende Barfuß-Macken-Saison-Rückschau nur eine Zwischenbilanz, kein Jahresabschluss.

Denkumkehr: Ohne Absicht, ohne Plan und ohne Krampf habe ich das Barfußlaufen so weit ausgedehnt, dass ich Schuhe [*1] nur noch in Ausnahmefällen trage. Die Fragestellung meines inneren Monologes lautet nicht mehr "Kannste hier echt barfuß laufen?", sondern "Musste hier echt Schuhe anziehen?"

Relativierung: Meine frühere Aversion gegen Supermärkte hat sich nebenbei auch erledigt, weil ich ein paar Mal schlicht keine Schuhe zur Hand hatte, als ich einkaufen musste. Supermarkt-Böden sind im Großen und Ganzen doch sauberer als gedacht.

Differenzierung: Auch meine Urteile über Innenstädte, Altstadt-Viertel und Fußgängerzonen  sind differenzierter geworden. Messlatte ist hier die gefühlte Dichte der Glassplitter, gemessen in Glassplittern pro Quadratmeter (Gs/m²). : In größeren Orten liegt exponentiell mehr Dreck. Interessant ist, dass die allgemeine Schönheit einer Stadt mit (Gs/m²)^-1 korreliert, vereinfacht: Wenn eine Stadt architektonisch ohnehin kackenhäßlich ist, ist sie auch siffig und voller Glassplitter. Sind Städte allgemein nett anzusehen, kann man dort meist auch problemlos barfuß laufen.

Training: Ich merke deutlich, dass meine Füße immer widerstandsfähiger werden. Das hat nichts mit dickerer Hornhaut zu tun, denn die Hornhaut wird durch natürlichen Gebrauch permanent abgeschubbert und ergo nicht dicker. Mag sein, dass die Lederhaut etwas kräftiger geworden ist, aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist,
  1. dass die Fuß-Muskulatur inzwischen so trainiert ist, dass nicht jedes Stöckchen und Steinchen Druckschmerz erzeugen, wenn man drauftritt [*2],
  2. dass normaler Druck auf die Fußsohle vom Gehirn nicht mehr als Besonderheit, als Gefahrzeichen oder folglich fälschlich gar als Schmerz wahrgenommen wird [*3],
  3. dass das unterbewusste Scannen des Untergrundes mit Seh- und Tastsinn immer effektiver wird und
  4. dass die Reflexe immer besser funktionieren, wenn die Fußsohle tatsächlich etwas Spitzes, Schleimiges, Klebriges tastet und die Muskeln entsprechend flott reagieren.
Rückblickende Erkenntnis: Wenn ich in früheren Zeiten darüber nachgedacht habe, was denn wohl die Leute über meine Barfüßerei denken oder gar sagen könnten, dann hatte ich immer das Bild von dummen, sturen, spießigen Menschen im Kopf. Wie blöd muss ich sein, wenn ich mir aus vorauseilender Rücksicht auf ausgerechnet solche Knallköppe etwas verböte, was ich für klug, vernünftig, gesund und angenehm erachte?

Fremdreaktionen: Fünf fremde Leute haben mir unabhängig voneinander mitgeteilt, wie toll sie es finden, dass ich überall barfuß liefe. Der Rest der Menschheit reagierte überhaupt nicht, denen war es völlig wurscht. Es gab keine einzige negative Reaktion.

Eigene Reaktion: Der entscheidende Faktor beim Barfußlaufen ist für mich inzwischen die haptische Wahrnehmung, die unter ich keinen Umständen mehr missen möchte. Ich habe vor Jahren schon mal geschrieben, ein beschuhter Waldspaziergang sei ähnlich armselig wie einer, bei dem man sich zuvor Nase und Ohren zustopfe. Dieser Vergleich ist treffender denn je.

Autokatalytischer Prozess: Je mehr man barfuß läuft, desto normaler und angenehmer wird es, desto weniger ist man geneigt, damit wieder aufzuhören.

Barfußbedingte Verletzungen: Null. In Zahlen: "0"







(Borgholm, August 2012)
Jaja, da hat wieder einer mit 'nem Malprogramm gespielt, schon klar. Ich finde das Ergebnis gut & schön, weil die Farbspielerei so trefflich die Erdverbundenheit beim Barfußlaufen symbolisiert. Es klingt doof esoterisch, aber barfuß bist Du tatsächlich viel intensiver mit den Dingen in Kontakt. Naja ist ja logisch. Das klingt ja auch wieder banal. Wie soll ich das beschreiben ... also ... Na egal, wen's interessiert, der soll's ausprobieren, dann wird sofort klar, was ich mit dem Bild ausdrücken will.


[*1] Hier stets im allerweitesten Sinne gemeint, also einschließlich FlipFlops, Socken, was auch immer.

[*2] Ein Schlag in die Magengrube ist ja auch nur dann schmerzhaft, wenn man die Bauchmuskulatur nicht anspannt.

[*3] Kann man das als "Abhärtung" bezeichnen? Ja, aber das klingt zu gewaltig, zu sehr nach Rambo, Conan oder Kneipp. 




2 Kommentare:

Brigitte hat gesagt…

Meine unmaßgebliche Sommerbilanz:
Eine gebrochene linke Hand.
Ich laufe seit Monaten im Haus barfuß, niemals draußen. Vor 7 Wochen habe ich mir im Waschbecken abends die Füße gewaschen und bin ausgerutscht. 6 Wochen Gips und Schmerzen. Seit einer Woche gipsfrei und Schmerzen. Niemals würde ich außer Haus barfußlaufen. Dieser Dreck! Igitt! Außerdem habe ich als Frau mindestens 50 Paar Schuhe. Einige nie getragen.

Thomas Ij hat gesagt…

Ich verrenke mir auch lieber den Magen, als dem Wirt was zu schenken.