01 November 2006

Hingucker und andere Reaktionen

Eines der interessantesten Phänomene beim Barfußlaufen ist das Hingucken. Wir stellen fest:

1. Wenn Barfußlaufen für Dich die natürlichste Sache der Welt ist, ist es das auch für die Leute.

2. Wenn Du guckst, ob die Leute gucken, weil Du barfuß läufst, dann gucken die Leute.

3. Wenn Du der Meinung bist, dass Du als einziger Barfußläufer der gesamten Fußgängerzone ein Ausgestoßener, ein obszöner under-dog, eine gesellschaftliche Schande bist, die sich schämen sollte, dann werden die Leute Dich genauso behandeln.

In der Psychologie nennt man das den Pygmalion-Effekt. Der gesunde Menschenverstand sagt dazu: „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es heraus.“

Es ist nicht möglich, nonverbal zu lügen. Und wenn jemand Unsicherheit signalisiert, dann werden Menschen aufmerksam. Sie fragen sich, was wohl der Grund dafür sein mag. Sie sehen die nackten Füße. Sie lernen – in diesem Moment!!! – dass Barfußlaufen ein Grund ist, unsicher zu sein.

Um es pointiert auszudrücken: Wir selbst legen in diesem Fall den Leuten nahe, das Barfußlaufen als etwas Unnormales zu betrachten.

Übrigens: 99 % der Menschen reagieren überhaupt nicht auf Barfußläufer, 0,9 % reagieren positiv, 0,1 % labern dummes Zeug.




Dat löpt sich allens t'recht!

Ins Hochdeutsche übersetzt: Das läuft sich Alles zurecht!

Jestern Waldspazierjang jemacht. Unbekanntes Jelände...

... und irgendwann kamen die verhaßten Schotterwege unvermeidlich dazwischen. Doch siehe da: Was einst dem BF-Anfänger die Tränen in die Augen trieb, konnte ich nunmehr recht locker nehmen. Größere Brocken nerven nach wie vor, aber die sieht man auch und kann sie meiden. Es bleibt die Feststellung, dass BF-Laufen einen Gewöhnungseffekt hat.

Ein häufiger Irrtum ist übrigens, dass die Gewöhnung nur aus einer ständig wachsenden Hornhaut resultiert.

Erstens wäre es angemessener, in diesem Zusammenhang von einer dickeren Lederhaut zu sprechen (Hornhaut ist tot, Lederhaut lebt). Zweitens wird die Haut an der Fußsohle nicht nur dicker, sondern v.a. flexibler, dehnbarer. Drittens spielt meiner Ansicht nach auch die wesentlich stärkere Muskulatur eines BFers eine Rolle, die - zusammen mit einer wieder antrainierten verbesserten Wahrnehmung über die Sohlen - ermöglicht, Druckpunkte zu verteilen. Viertens schaltet der geübte BFer bei schwierigem Untergrund automatisch auf eine Gangart, die den Ballen stärker betont, um. Fünftens entwickelt sich der Instinkt wieder, der uns zunehmend unbewußt um Aua-Stellen herumlaviert.

Das Leben kann so einfach sein.



02 Juni 2006

Nochmal die medizinische Sicht...

Noch'n Zitat:

"Aus Sicht der heutigen medizinischen Forschung ist ein Schuh, der eigentlich keiner mehr ist, am besten für die Füße. „Schuhe schützen den Fuß vor Umwelteinflüssen wie Kälte, Feuchtigkeit oder Scherben“, sagt Gert-Peter Brüggemann, Leiter des Instituts für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Das ist ihr einziger Vorteil.“ Ansonsten schränkten sie unsere Bewegungen ein. „Je später der Mensch Schuhe bekommt und je weniger er sie trägt, umso gesünder sind seine Füße“, so Markus Walther, Chefarzt am Zentrum für Sportorthopädie und Fußchirurgie des Orthozentrums München.

Belegt werden solche Aussagen durch wissenschaftliche Studien in Ländern, wo viele Menschen aus finanziellen Gründen keine Schuhe tragen. In Indien oder dem Kongo stellte sich heraus, dass sich der Fuß umso eher zum Plattfuß entwickelt, je früher und je häufiger am Tag man ihn in einen Schuh zwängt.

Schuhe sind vor allem nichts für Kinderfüße. Die meisten Kinder kommen mit gesunden Füßen zur Welt. Wenn ihre Füße zunächst seltsam platt erscheinen, so ist dies nur ein Durchgangsstadium. „Sie brauchen keine Abstützung durch Schuhe und schon gar kein Fußbett“, sagt Walther. „Ihr Fuß richtet sich erst mit dem vierten bis sechsten Lebensjahr auf, wenn Bänder und Muskeln kräftiger geworden sind.“ Diese stabilisieren das federnde Fußgewölbe. Mit dem späteren klinischen Plattfuß hat diese Entwicklung nichts zu tun."

27 April 2006

Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt ...

Ich hoffe, Euer Angelsächsisch hält das aus:

"Dr. Irene Davis, a professor of physical therapy at the University of Delaware, conducted controlled experiments measuring impact shock in barefoot and shod runners. She found that, because barefoot runners naturally adopt a fore-foot strike as opposed to the rear-foot strike pattern favored by shod runners, shock to the lower extremities is significantly less in barefoot runners. The shock also decreased in shod runners who adopted a forefoot landing style.

Free from the constraints of shoes, Davis found, musculature in the arches benefits. “When you’re barefoot and you don’t have any support under the arch, especially when you are hiking on uneven terrain, your feet have to work really hard to stabilize you. If you don’t have something underneath supporting it, the foot muscles are going to have to work harder. So I really think that hiking and even just walking barefoot helps to strengthen the muscles of the arch.” In some ways, she says, “We’ve just taught our feet to be lazy.”

That’s something first-time barefoot hikers often discover the next day, especially if they’re used to wearing shoes for most of their walking. Barefoot hiking not only provides exercise for the arches, it also works muscles in the lower extremities in ways that shoes can inhibit."


Die empfehlenswerte Quelle hat der Zahn der Zeit oder irgendein Admin inzwischen gelöscht. Schade.



13 Februar 2006

Warum wir uns uniformieren




Dieser Blog soll ja die Frage beantworten, warum Leute nicht barfuss laufen, obwohl es das Vernünftigste wäre. Nino Cerutti hat in der Zeitschrift "Cicero" eine mögliche Antwort gefunden:

"Männer sind meist unsicher, was Mode betrifft. Deshalb mögen sie zwei Dinge, den Mainstream und die Aura von Macht. Der Herrenanzug wurde im Laufe der Zeit zum Ausdruck vor allem ökonomischer Macht und Disziplin, beerbte also das Herrschergewand und die Uniform: Er repräsentiert eine äußere Ordnung. Wer aus dieser Konvention ausbricht, zeigt den Verzicht auf Machtansprüche, macht sich aber auch verwundbar. Denken wir an Franz von Assisi, der nur seine Kutte trug und barfuss ging. Oder an Mahatma Gandhi, der auf historischen Fotos zusammen mit Politikern in seinem traditionellen Gewand immer so verletzlich aussah. Er wollte einen Wertewandel und plädierte für Toleranz, und das sah man auch seiner Kleidung an, die sehr individuell war und selbstbewusst kulturelle Identität zeigte."

Der komplette Artikel stand hier: http://www.cicero.de/kol_print.php?ress_id=&item=10031, ist aber inzwischen (09.01.2012) gelöscht.

(In diesem Zusammenhang weise ich gerne darauf hin, dass ich die Zeitschrift "Cicero" ganz allgemein empfehlen kann.)

Wir lernen: Was wir als "normal" betrachten, hat mit rationalen Kriterien oder einer Norm im technischen Sinne überhaupt nichts zu tun. Diesen Umstand registriert man aber nur, wenn man sich hin und wieder mal traut, gegen unreflektierte Normalitäten, Normen und andere "Gewißheiten" zu verstoßen.

 wiki commons

 Ich will gar nicht so tun, als fiele es mir immer leicht, gegen Normen meiner Umwelt anzugehen. Aber ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, sich gelegentlich dazu zu überwinden.