12 Juni 2012

Noch mehr Erfahrungs-Plauderei



Hach, schon wieder diese Nabelschau. Selbstkritischer, innerer Dialog zum Thema meiner Barfußlauferei: Bin ich kapriziös? Süchte ich nach Mittelpunktserlebnissen? Überkompensiere ich frühere Verklemmtheiten?

"Kapriziös" bedeutet launenhaft, unberechenbar. Nee, Barfußlaufen ist keine Laune, nicht bei mir. Das mache ich schon seit Jahren. Der Unterschied ist, dass ich es jetzt konsequenter mache als früher. Gewollt habe ich das schon immer, getraut aber nicht. Dass ich mich jetzt traue, deutet klar auf eine Veränderung meiner Denke hin. "Sapere aude" endlich ohne Geschwiemel und Ausflüchte und Eigentlichs korrekt durchziehen und so. Manche Leute finden es ganz schlimm, wenn Mitmenschen um- und neudenken. Doch, ja, da entsteht schon mal der Eindruck, letztere seien unberechenbar. Dabei ist es nur schlüssige Umsetzung falsifizierbarer, d.h. wissenschaftlicher Ergebnisse. Genau genommen bin ich derzeit eher berechenbarer, unkapriziöser, geworden.

Von wegen "Mittelpunktserlebnis"! Im Gegenteil: Ich spüre den selben natürlichen, tiefverwurzelten Horror davor, sozial auffällig zu sein, wie alle normalen Menschen auch. Nee, die Sucht, im Licht zu stehen, kann ich bei aller gebotenen Vorsicht vor derartigen Selbstaussagen als Motiv ausschließen. Deshalb mache ich selbst auch kein Gewese um Schuhlosigkeit und missioniere auch nicht. Andererseits bin ich vielleicht auch nicht mehr ganz so abhängig von der unbedingten, uneingeschränkten Zustimmung aller meiner Mitmenschen. Wenn sich ein schwerst-pubertierender Hauptschüler über meine harmlose Macke beölt (was bisher übrigens noch nicht geschehen ist, jedenfalls nicht so, dass ich es bemerkt hätte), bitte sehr.

Dumme Leute lachen über das Tao. Würden sie nicht drüber lachen, wäre es nicht das Tao. 
Lao-Tse

Hmmm, die Frage, ob ich mit meiner akuten Barfüßerei überkompensiere, ist knifflig. Meine kindlich-jugendliche Sozialisation war auf jeden Fall ziemlich beamten-bürgerlich, was ich gar nicht sooo übel finde. Aber soll ich  mit 50 Jahren immer noch diese Geschichten als Erklärungmodell eigenen Verhaltens heranziehen? Sollte es mir, da ich damals ja keine schweren Traumata erleiden musste, nicht in den letzten 20, 30 Jahren gelungen sein, eine autarke Persönlichkeit zu entwickeln? Nee, der Erklärungsansatz, ich lebe gegenwärtig übermäßig das aus, was mir früher untersagt war, müffelt allzu streng nach dem toten Freud.

Ich habe eine viel simplere Theorie über mich: Ich war früher einfach zu doof, um über solche Dinge wie Sozialnormen und ihre Sinnhaftigkeit nachzudenken. Und ich war zu faul, zu stumpf und zu bierärschig, eigene Denkergebnisse in verändertes Verhalten umzusetzen.

Ja, das klingt gut. Das klingt richtig. Das klingt nach mir. So kenne ich mich! Passt!

Und ganz zum Schluss der Nabelschau: Ich finde es so super-angenehm, nicht mehr auf Schuhe angewiesen zu sein, dass ich es, je normaler es wird, von Tag zu Tag mehr genieße. Das ganze theoretische Raisonnement ist ja schön und gut. Toll, dass auch die Wissenschaft auf meiner Seite steht. Aber dieses geniale Gefühl täglicher billigster Denk- und Fußfreiheit, das ist einfach oberhammersahnemäßig geil brilliant.



Falls jemand mit dem Adjektiv "oberhammersahnemäßig" nichts anfangen kann: Die Sahne sehen wir mitte-links im Bild, hier in ihrer natürlichen Umgebung, nämlich auf due Cappuccini. Den Hammer-Aspekt hat der Künstler auf gleicher Bildebene, aber mitte rechts in Form zweier hammer-süßer, hammer-leckerer Kuchenteile realisiert, die hammer-schwer im Magen liegen, was man vorher allzu genau weiß, aber ignoriert, weil sie, wie gesagt, so hammer-lecker sind, dass das vernunftbegabte Großhirn schlicht vom instinktbegabten Stammhirn übersteuert wird ... Viareggio, 2010






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