01 Juli 2012

Barfuß-Fakten: Anatomie und Funktion


(via wiki commons)

Früher waren Fußwurzel und Mittelfuß für mich ein undurchschaubares Geschwurbel aus Knochen, Sehnen und Muskeln, das mich nicht weiter interessierte.

Heute sind Fußwurzel und Mittelfuß für mich ein hochkomplexes, technisch brilliantes Geschwurbel aus Knochen, Sehnen und Muskeln, dessen technische Leistungsfähigkeit mich fasziniert. [*1]


(via wkipedia)

Ich würde mir eine vollständige anatomische bzw. funktionsmorphologische Beschreibung an dieser Stelle gerne schenken und verweise erneut auf das "barefoot book" (S. 27 ff) von Daniel Howell. Der Mann ist Professor und unterrichtet Anatomie, kann das also viel besser beschreiben als ich. Erlaubt mir, mich auf die leicht nachvollziehbaren Phänomene zu beschränken. Das ist einfacher für alle Beteiligten.


Die vielen Knubbel-Knochen der Fußwurzel vollbringen bei jedem Schritt ein technisches Wunder: Während der Fuß beim Gehen/Laufen mit der Ferse aufsetzt (I. Phase) und das Körpergewicht mit dem Abrollen (II. Phase) des Fußes nach vorne verschoben wird, ist dieser Bereich sehr flexibel. Klar, hier werden beim Auftreten Beschleunigungskräfte und Bodenbedingungen aufgefangen. Die Fußsohle ist kein Brett, sondern Stoßdämpfer und Lageregulator.

Die dritte und letzte Phase des Bodenkontaktes ist aber das Abdrücken (III. Phase). Hier muss Kraft aus Ober- und Unterschenkelmuskulatur mit einem möglichst guten Hebelverhältnis auf den Boden übertragen werden, um den Bewegungsimpuls des Körpers aufrechtzuerhalten oder zu verstärken. In diesem Moment, wenn nur noch der vordere Ballen und die Zehen (vor allem der große!) den Boden berühren, muss der abgehobene Bereich der Fußwurzel- und Mittelfußknochen aber tatsächlich bretthart miteinander verbunden sein, denn andernfalls ginge die Vortriebsenergie zum Teil für die Verschiebung der Knochen gegeneinander drauf, und wir hätten das Gefühl, "wie auf Eiern" zu laufen und kämen trotz hohen Energieaufwandes kaum voran.

Diesen bei jedem Schritt vollzogenen Wechsel, von "flexibel" zu "bretthart" und zurück, kann der Fuß leisten, weil er in diesem Bereich wie ein Gewölbe mit Schlussstein (oder "Keilstein") aufgebaut ist:
   (via wiki commons)
Wir wissen, was mit dem steinernen Gewölbe passierte, würde ein kräftiger Witzbold den Keilstein ein wenig anlüpfen: Die Struktur bräche zusammen. Der "Os cuneiforme" unserer Fußwurzel ist der "Knochen, der wie ein Keil geformt ist" - und in der Tat wechselt er bei jedem Schritt die Position, so dass er mal das Gewölbe blockiert und stabilisiert, um gleich darauf wieder die gesamte Konstruktion flexibel reagieren zu lassen. Und das ist der Trick hinter dem dauernden schnellen Wechsel der Eigenschaften.

Geniales Prinzip, oder? Klar, der Aufwand ist erheblich, der evolutionäre Gewinn aber auch: Durch diesen Trick wird die ohnehin äußerst energieeffiziente zweibeinige Fortbewegung noch einen ganzen Zacken effektiver.

Und weil das so ist und war, liebe Leute, sind wir Menschen evolutionär betrachtet Dauerläufer.  Das ist eines unserer ganz wesentlichen Alleinstellungsmerkmale. Wir sind als Läufer eigentlich (!!!) sogar ausdauernder als Pferde. Unsere savannenliebenden Vorfahren liebten die Savanne so, weil das ein Terrain war, in dem unsere Urgroßpapis [*2]  jede andere Tierart bis zu deren Erschöpfungstod hetzen konnten [*3]. Hammer, oder?


Doch dann erfand jemand feste, robuste Schuhe.








[*1] Allerdings fasziniert es mich auf die gleiche Weise, wie  z.B. das Higgs-Boson, Hegels "Ästhetik", das Rezept für Kaiserschmarrn oder die Winword-Funktion "Zeilennumerierung": Es sind Hammer-Themen, aber jedes Mal, wenn man sich valide dazu äußern möchte, muss man selbst erstmal wieder nachlesen, wie das nun genau funktioniert.

[*2] Hier fehlen etwa 3 - 5.000 "Ur", um den Generationenabstand richtig zu beschreiben. Aber ich wollte heute noch fertig werden.

[*3]  Es sei denn, Urgroßpapi hätte zum Zu-Tode-Hetzen eine Tierart ausgewählt, die stärker war als er. Wer so dämlich war, hatte damals wenig Chancen, irgendwes' Urgroßpapi zu werden. Das ist heute anders: Strunz-Doof-Sein ist kein Grund, nicht kräftig im Genpool mitzuschwimmen, im Gegenteil.











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