03 Oktober 2012

Kalte Füße - zum Glück



Heute Morgen war ich zum zweiten Mal nach einem halben Jahr Pause mal wieder im Wald joggen, natürlich barfuß, und natürlich bekam ich kalte Füße und über alle drei Aspekte war ich heilfroh. Dass es einfach klasse ist, barfuß auf Sandwegen im Wald zu joggen, versteht sich von selbst. Die Sache mit den kalten Füßen muss vielleicht erklärt werden, und sie erklärte sich am besten, wenn der/die geneigte LeserIn sich vorstellte, was es bedeutet, nach einem faulen, genußvollen Sommer mit ein paar Kilo mehr auf den Hüften wieder mit dem Training zu beginnen [*1].

Es ist anstrengend. Nicht so anstrengend wie das Laufen mit Schuhen, aber troppsdem. Und natürlich habe ich geschwitzt wie ... [*2] einer, der sich sehr anstrengt. Wer ein paar andere Artikel auf diesem Blog aufmerksam gelesen hat, weiß, was jetzt kommt: Wie glücklich war und bin ich, dass unsere Füße (zusammen mit Kopf und Händen) Wärmetauscher sind! Wenn ich mir vorstelle, wie gewaltig der ohnehin üppige Wärmeüberschuss meines Körpers gewesen wäre, wenn meine Füße heute Morgen in fette Nikes verpackt gewesen wären, graut es mir. Stattdessen patschten sie frei und fröhlich durch nassen aber festen, 10 °C kalten Sand und ebensolches Gras, die Zehen irgendwann knallrot, was bedeutet, dass die Wärmeabfuhr via Blutkreislauf auf Hochtouren lief.

Natürlich fühlt man die Kälte. Ist doch klar. Aber das tun wir auch, extremer sogar, wenn wir barhändig Schneebälle formen. Entscheidend ist, dass die Temperatur des Gesamtsystems nicht zu sehr abfällt und dass es nicht an einzelnen Punkten zu dauerhaften Temperaturen unter 0 °C kommt, denn das führte zu Erfrierungen.

Nee, die - gerade in Nicht-Sommer-Zeiten beliebte - Frage "Ist das nicht (zu) kalt?" ist ziemlich schnell beantwortet: "Wenn der Rest warm ist, sei es durch Klamotten oder Bewegung, gewiss nicht."

Ich unterstütze die in mannigfacher Literatur geäußerte Annahme, dass uns im Hinblick auf unsere Füße schlicht ein völlig schräges, unnatürliches  Temperaturempfinden anerzogen worden ist. Wenn man ein Leben lang permanent warme Füße hat, dann registriert das Hirn eine Abweichung von dieser Norm verständlicherweise als eine Sensation. Isses aber nicht. Vergleiche Hände. Das Gleiche gilt doch für das Druckempfinden unserer Füße. Auch da ist die Überempfindlichkeit nur anerzogen. Füße halten was aus. Auch dazu sind sie evolutionär angepasst.


(via wiki commons)



[*1]  Ich scheue davor zurück, meine morgendliche Tätigkeit als "Joggen" zu bezeichnen und bevorzuge den Begriff "Trotten" - auch, weil er die Frage nach vergleichbaren Zeiten, Strecken und Streckenzeiten verunmöglicht. Meine Leistungen im Joggen sind mit den Adjektiven "unvergleichlich" und "unbeschreiblich" hinreichend qualifiziert, und mehr möchte ich dazu nicht sagen, außer vielleicht, dass ich mir immerhin Mühe gebe und es schon ganz schön toll von mir finde, nach so langer Zeit den inneren Schweinehund zu besiegen und überhaupt wieder mit dem Arsch hochzukommen.


[*2] Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ergänzen "...ein Schwein", aber Schweine können nicht schwitzen.






25 September 2012

Ratschpeng! Noch 'ne schöne Bestätigung



Einen link zu einer interessanten SWR-Dokumentation möchte ich gerne weiterverbreiten. Ich halte die gesamte Sendung (Dauer 43:16 min) für sehens- und bedenkenswert, der barfußspezifische Teil beginnt bei min 24:00.

Die Information erhielt ich über das Hobby-Barfuß-Forum.  Dank an alle Beteiligten.








22 September 2012

Sei nicht erbärmlich





"Es ist nichts erbärmlicher in der Welt, als ein unentschlossener Mensch."
Goethe





Die Jahreszeit und die Temperaturen bewegen sich derzeit in einen Bereich, in dem das Barfußlaufen in der Wahrnehmung des Mediokariats von einer nur exotischen zu einer komplett durchgeknallten Tätigkeit wird [*1]. Je größer die zeitliche Distanz zum Hochsommer, desto größer scheint der durch den Schuhwerkverzicht bedingte Normenverstoß und desto lauter die Empörungsschreie des inneren Spießers, man könne doch nicht. Doch, man kann.

Und Goethe, das Genie, der Stürmer, der Dränger und Klassiker, zeigt uns, wie: Mit Entschlossenheit. Der "Dümmste anzunehmende Fehler" ist das Herumeiern. Schuhe an, Schuhe aus, Schuhe an, unsicher-sichernde Blicke, verlegene Gesten ... An anderer Stelle habe ich schon mal gesagt: Barfußlaufen wird von der absolut-überwältigenden Mehrheit der Menschheit bejaht, die BarfußläuferInnen selbst stellen das Hauptproblem dar, wenn sie auf allen Kanälen nonverbaler Kommunikation signalisieren, dass sie selbst glauben, gerade was ganz und gar Unanständiges zu tun. [*2]


Ich will gewiss nicht jedem idiotischen Lititi das Wort reden. Es gibt Marotten, die sind wirklich unter aller Sau, da hilft es auch nix, im Gegenteil, wenn man es noch so konsequent, selbstbewusst und entschlossen durchzieht. Viele, nicht aber alle Sozialnormen sind unvernünftig.

Aber wenn man eine Sache mehrfach von vorn bis hinten durchdacht, durchfühlt und geprüft hat und zu einem Ergebnis gekommen ist, dann, bitteschön, ziehe man diese Sache anschließend auch konsequent durch. Habe den Mut, Dich Deines Verstandes zu bedienen, klar. Aber habe auch den Mut, Dein Verhalten nach den Ergebnissen, die Dein Verstand liefert, nach der Vernunft also, auszurichten.
 

Auch keine normalen Klamotten für einen angehenden Geheimrat .... 
... und genau das trug zu seiner Berühmtheit bei.
(via wiki commons)




[*1] Ich gehöre nun nicht zu den Hardcore-barfuß-im-Schnee-Barfüßern, Barfußlaufen ist auch kein Dogma, sondern eine Frage des Wohlfühlens und der Vernunft. Ab 5 °C geht's dauerhaft, darunter beginnt auch bald das (zunächst allerdings minimale) Risiko von Erfrierungen. Angenehm ist's ab 10 °C. Und, oh Wunder, die spannendste, erlebnisreichste  Zeit für die nackten Füße sind Frühling und Herbst, wenn die Böden die größten Temperatur-und Feuchtigkeitsunterschiede aufweisen. Der Sommer ist natürlich auch nett, aber fast schon ein bisschen langweilig, und heißer Asphalt nervt echt.

Barfuß im Schnee, eine Erfahrung die mal ganz lustig ist 
und hinterher  richtig warme Füße macht, 
auf Dauer aber überschätzt wird.


[*2] Das trifft analog für zahlreiche Non-Vanilla-Verhaltensweisen zu. Klares, konsequentes, offenes Schwulsein wirkt niemals lächerlich, sondern, falls es überhaupt noch auffällt, höchstens spannend, mutig, intelligent, progressiv. Der halbversteckte, herumeiernde, unklare, verschämte Schwule zieht Spott auf sich.








12 September 2012

Sommerbilanz



Mit dem Ende des meteorologischen Sommers werde ich nicht zum Schuhanzieher. Daher ist die folgende Barfuß-Macken-Saison-Rückschau nur eine Zwischenbilanz, kein Jahresabschluss.

Denkumkehr: Ohne Absicht, ohne Plan und ohne Krampf habe ich das Barfußlaufen so weit ausgedehnt, dass ich Schuhe [*1] nur noch in Ausnahmefällen trage. Die Fragestellung meines inneren Monologes lautet nicht mehr "Kannste hier echt barfuß laufen?", sondern "Musste hier echt Schuhe anziehen?"

Relativierung: Meine frühere Aversion gegen Supermärkte hat sich nebenbei auch erledigt, weil ich ein paar Mal schlicht keine Schuhe zur Hand hatte, als ich einkaufen musste. Supermarkt-Böden sind im Großen und Ganzen doch sauberer als gedacht.

Differenzierung: Auch meine Urteile über Innenstädte, Altstadt-Viertel und Fußgängerzonen  sind differenzierter geworden. Messlatte ist hier die gefühlte Dichte der Glassplitter, gemessen in Glassplittern pro Quadratmeter (Gs/m²). : In größeren Orten liegt exponentiell mehr Dreck. Interessant ist, dass die allgemeine Schönheit einer Stadt mit (Gs/m²)^-1 korreliert, vereinfacht: Wenn eine Stadt architektonisch ohnehin kackenhäßlich ist, ist sie auch siffig und voller Glassplitter. Sind Städte allgemein nett anzusehen, kann man dort meist auch problemlos barfuß laufen.

Training: Ich merke deutlich, dass meine Füße immer widerstandsfähiger werden. Das hat nichts mit dickerer Hornhaut zu tun, denn die Hornhaut wird durch natürlichen Gebrauch permanent abgeschubbert und ergo nicht dicker. Mag sein, dass die Lederhaut etwas kräftiger geworden ist, aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist,
  1. dass die Fuß-Muskulatur inzwischen so trainiert ist, dass nicht jedes Stöckchen und Steinchen Druckschmerz erzeugen, wenn man drauftritt [*2],
  2. dass normaler Druck auf die Fußsohle vom Gehirn nicht mehr als Besonderheit, als Gefahrzeichen oder folglich fälschlich gar als Schmerz wahrgenommen wird [*3],
  3. dass das unterbewusste Scannen des Untergrundes mit Seh- und Tastsinn immer effektiver wird und
  4. dass die Reflexe immer besser funktionieren, wenn die Fußsohle tatsächlich etwas Spitzes, Schleimiges, Klebriges tastet und die Muskeln entsprechend flott reagieren.
Rückblickende Erkenntnis: Wenn ich in früheren Zeiten darüber nachgedacht habe, was denn wohl die Leute über meine Barfüßerei denken oder gar sagen könnten, dann hatte ich immer das Bild von dummen, sturen, spießigen Menschen im Kopf. Wie blöd muss ich sein, wenn ich mir aus vorauseilender Rücksicht auf ausgerechnet solche Knallköppe etwas verböte, was ich für klug, vernünftig, gesund und angenehm erachte?

Fremdreaktionen: Fünf fremde Leute haben mir unabhängig voneinander mitgeteilt, wie toll sie es finden, dass ich überall barfuß liefe. Der Rest der Menschheit reagierte überhaupt nicht, denen war es völlig wurscht. Es gab keine einzige negative Reaktion.

Eigene Reaktion: Der entscheidende Faktor beim Barfußlaufen ist für mich inzwischen die haptische Wahrnehmung, die unter ich keinen Umständen mehr missen möchte. Ich habe vor Jahren schon mal geschrieben, ein beschuhter Waldspaziergang sei ähnlich armselig wie einer, bei dem man sich zuvor Nase und Ohren zustopfe. Dieser Vergleich ist treffender denn je.

Autokatalytischer Prozess: Je mehr man barfuß läuft, desto normaler und angenehmer wird es, desto weniger ist man geneigt, damit wieder aufzuhören.

Barfußbedingte Verletzungen: Null. In Zahlen: "0"







(Borgholm, August 2012)
Jaja, da hat wieder einer mit 'nem Malprogramm gespielt, schon klar. Ich finde das Ergebnis gut & schön, weil die Farbspielerei so trefflich die Erdverbundenheit beim Barfußlaufen symbolisiert. Es klingt doof esoterisch, aber barfuß bist Du tatsächlich viel intensiver mit den Dingen in Kontakt. Naja ist ja logisch. Das klingt ja auch wieder banal. Wie soll ich das beschreiben ... also ... Na egal, wen's interessiert, der soll's ausprobieren, dann wird sofort klar, was ich mit dem Bild ausdrücken will.


[*1] Hier stets im allerweitesten Sinne gemeint, also einschließlich FlipFlops, Socken, was auch immer.

[*2] Ein Schlag in die Magengrube ist ja auch nur dann schmerzhaft, wenn man die Bauchmuskulatur nicht anspannt.

[*3] Kann man das als "Abhärtung" bezeichnen? Ja, aber das klingt zu gewaltig, zu sehr nach Rambo, Conan oder Kneipp. 




26 August 2012

Paradoxe Beobachter



Wer fürchtet, die Teletubbies seien homosexuell,
wer fürchtet, Ernie und Bert seien homosexuell,
fürchtet wahrscheinlich auch,
Barfußlaufen sei erotisch,

und sollte sich dringend fragen,
welche persönlichen Defizite
zu dieser manischen Sexualorientierung
geführt haben könnten.


"Hauk, ich kenne niemanden, 
der es so nötig hat, einen 
geblasen zu bekommen wie Sie."
(Robin Williams alias Adrian Cronauer, 1987)


Ach, und dann war da noch das gute Gefühl, dass Andere auch bestätigen, was man selbst schon immer wusste....

01 Juli 2012

Barfuß-Fakten: Anatomie und Funktion


(via wiki commons)

Früher waren Fußwurzel und Mittelfuß für mich ein undurchschaubares Geschwurbel aus Knochen, Sehnen und Muskeln, das mich nicht weiter interessierte.

Heute sind Fußwurzel und Mittelfuß für mich ein hochkomplexes, technisch brilliantes Geschwurbel aus Knochen, Sehnen und Muskeln, dessen technische Leistungsfähigkeit mich fasziniert. [*1]


(via wkipedia)

Ich würde mir eine vollständige anatomische bzw. funktionsmorphologische Beschreibung an dieser Stelle gerne schenken und verweise erneut auf das "barefoot book" (S. 27 ff) von Daniel Howell. Der Mann ist Professor und unterrichtet Anatomie, kann das also viel besser beschreiben als ich. Erlaubt mir, mich auf die leicht nachvollziehbaren Phänomene zu beschränken. Das ist einfacher für alle Beteiligten.


Die vielen Knubbel-Knochen der Fußwurzel vollbringen bei jedem Schritt ein technisches Wunder: Während der Fuß beim Gehen/Laufen mit der Ferse aufsetzt (I. Phase) und das Körpergewicht mit dem Abrollen (II. Phase) des Fußes nach vorne verschoben wird, ist dieser Bereich sehr flexibel. Klar, hier werden beim Auftreten Beschleunigungskräfte und Bodenbedingungen aufgefangen. Die Fußsohle ist kein Brett, sondern Stoßdämpfer und Lageregulator.

Die dritte und letzte Phase des Bodenkontaktes ist aber das Abdrücken (III. Phase). Hier muss Kraft aus Ober- und Unterschenkelmuskulatur mit einem möglichst guten Hebelverhältnis auf den Boden übertragen werden, um den Bewegungsimpuls des Körpers aufrechtzuerhalten oder zu verstärken. In diesem Moment, wenn nur noch der vordere Ballen und die Zehen (vor allem der große!) den Boden berühren, muss der abgehobene Bereich der Fußwurzel- und Mittelfußknochen aber tatsächlich bretthart miteinander verbunden sein, denn andernfalls ginge die Vortriebsenergie zum Teil für die Verschiebung der Knochen gegeneinander drauf, und wir hätten das Gefühl, "wie auf Eiern" zu laufen und kämen trotz hohen Energieaufwandes kaum voran.

Diesen bei jedem Schritt vollzogenen Wechsel, von "flexibel" zu "bretthart" und zurück, kann der Fuß leisten, weil er in diesem Bereich wie ein Gewölbe mit Schlussstein (oder "Keilstein") aufgebaut ist:
   (via wiki commons)
Wir wissen, was mit dem steinernen Gewölbe passierte, würde ein kräftiger Witzbold den Keilstein ein wenig anlüpfen: Die Struktur bräche zusammen. Der "Os cuneiforme" unserer Fußwurzel ist der "Knochen, der wie ein Keil geformt ist" - und in der Tat wechselt er bei jedem Schritt die Position, so dass er mal das Gewölbe blockiert und stabilisiert, um gleich darauf wieder die gesamte Konstruktion flexibel reagieren zu lassen. Und das ist der Trick hinter dem dauernden schnellen Wechsel der Eigenschaften.

Geniales Prinzip, oder? Klar, der Aufwand ist erheblich, der evolutionäre Gewinn aber auch: Durch diesen Trick wird die ohnehin äußerst energieeffiziente zweibeinige Fortbewegung noch einen ganzen Zacken effektiver.

Und weil das so ist und war, liebe Leute, sind wir Menschen evolutionär betrachtet Dauerläufer.  Das ist eines unserer ganz wesentlichen Alleinstellungsmerkmale. Wir sind als Läufer eigentlich (!!!) sogar ausdauernder als Pferde. Unsere savannenliebenden Vorfahren liebten die Savanne so, weil das ein Terrain war, in dem unsere Urgroßpapis [*2]  jede andere Tierart bis zu deren Erschöpfungstod hetzen konnten [*3]. Hammer, oder?


Doch dann erfand jemand feste, robuste Schuhe.








[*1] Allerdings fasziniert es mich auf die gleiche Weise, wie  z.B. das Higgs-Boson, Hegels "Ästhetik", das Rezept für Kaiserschmarrn oder die Winword-Funktion "Zeilennumerierung": Es sind Hammer-Themen, aber jedes Mal, wenn man sich valide dazu äußern möchte, muss man selbst erstmal wieder nachlesen, wie das nun genau funktioniert.

[*2] Hier fehlen etwa 3 - 5.000 "Ur", um den Generationenabstand richtig zu beschreiben. Aber ich wollte heute noch fertig werden.

[*3]  Es sei denn, Urgroßpapi hätte zum Zu-Tode-Hetzen eine Tierart ausgewählt, die stärker war als er. Wer so dämlich war, hatte damals wenig Chancen, irgendwes' Urgroßpapi zu werden. Das ist heute anders: Strunz-Doof-Sein ist kein Grund, nicht kräftig im Genpool mitzuschwimmen, im Gegenteil.











28 Juni 2012

Barfuß-Fakten: Temperaturregelung


Elefanten machen das so:

Elefant im Winter



Elefant im Sommer

Mit der stärkeren oder schwächeren Durchblutung der Ohren reguliert der Elefant die notwendige Wärmeabfuhr. Weitere Beispiele, wie endotherme Tiere Wärmeaustausch regeln, liefert die website der Zooschule Hannover, deren Besuch ich empfehle.

Allzu gerne hätte ich an dieser Stelle vergleichbare Wärmebild-Fotos eines unbekleideten Menschen im Sommer und im Winter beigebracht, doch, ach, gab das Internet dazu so gar nichts her und auch gebricht es mir an einer Wärmebild-Kamera, den Selbstversuch zu wagen. Daher liefere ich hier nur eine Übersetzung aus einem früheren Posting [*1]:

"... Hände, Füße und Kopf sind die wesentlichen Regionen zur Regulation der Körpertemperatur. Um die Körperwärme zu halten, reduziert unser Körper einfach die Blutzufuhr in die Extremitäten, was dort ein Gefühl der Kälte erzeugt, was Camper und Bergsteiger wiederum zu der Alltagsweisheit führt: 'Hast Du kalte Füße, setz' einen Hut auf.'" (aus: Ask the doctor; Dr. Alan Berrick; 2012)

Was dem Elefanten die Ohren, sind dem Menschen Hände, Füße und Kopf: Wärmetauscher.

Thema durch.



Abschließend zwei Fragen zum Selbsttest:

Frage 1: Für wie pfiffig, hieltest Du es, die Kühlrippen eines Motorradmotors in eine stabile Lederschicht einzupacken, z.B., damit da nicht so viel Dreck reinkommt, und das so schwer zu putzen ist?      

Antwort auf einer Skala von 1 bis 10, wobei gilt:
        1 = total bescheuert; 10 = voll schlau

Frage 2:.  Was könnte und wird passieren, wenn Du's tust?


(verändert nach wiki commons)

[*1] ..., das mir ohnehin so verschwurbelt geraten ist, dass unmöglich jemand kapieren konnte, was ich damit eigentlich sagen wollte

26 Juni 2012

Barfuß-Fakten: Hygiene


Unter anderem aus Wikipedia kleingeschrieben:

Jeder Mensch besteht aus etwa 10 Billionen (10^13) Körperzellen. Auf und in ihm siedelt die zehnfache (!) Menge an Bakterien und Pilzen, die auch "Mikroorganismen" oder, irreführend, "Keime" genannt werden und unschädlich oder nützlich oder sogar überlebensnotwendig für uns sind.

Die Kosmetik- und Reinigungsmittel-Industrie suggeriert Keimfreiheit als Hygiene-Ideal, ein Ziel, dessen Erreichung wir nicht überleben würden.

Wer schon mal unter einer "Darminfektion" gelitten hat, weiß, worum es wirklich geht. "Darminfektion" bedeutet nicht, dass erstmals Mikroorganismen unseren Darmtrakt infizieren [*1], sondern, dass sich dort Bakterien/Pilze massenhaft vermehren, die da nicht massenhaft hingehören und die jenen, die dort massenhaft hingehören, den Garaus machen, was zur Folge hat, dass das gesunde Gleichgewicht zwischen den Spezies zusammen- und das große Chaos ausbricht, so dass schließlich hinten etwas herauskommt, was als "Scheiße" zu bezeichnen eine sehr tolerante definitorische Dehnung des Begriffes voraussetzte.

Kurz: Es geht nicht um den sterilen (=keimfreien) Menschen. Es geht um eingespielte Gleichgewichte.

Wenden wir uns der Haut zu. Etwa 148 verschiedene Bakterienspezies (Pilze also noch nicht mitgezählt) bilden hier ein munteres, eingespieltes  Ökosystem. Dieses Ökosystem ist ausgesprochen nützlich für uns, denn, wenngleich die beteiligten Populationen völlig unschädlich für uns sind und sich karg und bescheiden von Altfett und toten Hautschuppen nähren, so werden sie doch zu rasenden Killerbestien, falls fremde Keime sich anheischig machen, das Revier zu usurpieren.

Der Mikrobiologe formuliert dann gern auch mal jovial : "Die Standortflora fungiert als Türsteher, an dem neue, eventuell krankheitserregende Keime erstmal vorbei müssen." [*2]

Auf einem Quadratzentimeter Haut leben ein paar Hundert bis zu zwei Millionen unschädlicher Mikroorganismen in einem Gleichgewicht konkurrierender Zwietracht, und das ist gut so, denn wenn die weg wären oder das Gleichgewicht erheblich gestört würde, könnten schädliche, d.h. krankheitserregende Keime sich konkurrenzlos ausbreiten. Darunter können dann auch welche sein, die sich nicht bescheiden an der Oberfläche halten, sondern richtig fiese, die sich gierig auf unsere lebenden Körperzellen stürzen und sich in unseren Körper hinein ausbreiten.

An dieser Stelle kommen Schuhe ins Spiel. Unsere Kommensalen, also unsere lieben, gewohnten, unschädlichen Kumpel-Mikroorganismen, sind an bestimmte Temperaturvarianzen, pH-Wert-Bereiche und Feuchtigkeitsbedingungen angepasst, nämlich an die Bedingungen, die sie im Laufe der gemeinsamen Evolution mit ihrem Wirt, uns, vorfanden.

Was sie da nicht vorfanden, sind Bedingungen, wie sie gewöhnlich in geschlossenem Schuhwerk herrschen: Eine dauerhafte Temperatur von durchschnittlich 50 °C, ein dauerhafter pH-Wert von 5,4 bis 5,9 und eine relative Feuchte von dauerhaft fast 100 %.

Oh, die halten das aus, keine Frage. Aber einige von den Mikros halten das besser aus als andere, und das reicht, um das oben lang und breit erklärte ökologische Gleichgewicht zu verschieben.

So lieber Leser, liebe LeserIn, danke für's Durchhalten. Ich glaube, den Rest kannst Du Dir jetzt selbst erklären. Vor allem weißt Du jetzt, warum in schuhtragenden Gesellschaften 20 bis 85 % der Bevölkerung mit dem sogenannten "Fußpilz" kämpfen [*3] [*4], der in Wirklichkeit ein ganz normaler Hautpilz ist, der überall auf unserer Haut herumwuselt, sich normalerweise aber nicht durchsetzen kann und der deshalb in nicht-schuhetragenden Gesellschaften genau so selten auftritt, wie "Handpilz" bei uns.

Vielleicht kannst Du Dir nun auch erklären, warum man nicht Mikrobiologie studieren kann, ohne anschließend das exzessive Schuhetragen total eklig zu finden.

Und ganz vielleicht kannst Du nun auch verstehen, warum ein Biologie-Lehrer, der beansprucht seinen Schülern ein Vorbild zu sein, barfuß laufen sollte, wann immer möglich, .



Staphylococcus spec.
(via wiki commons)




[*1] Die Erstbesiedlung unseres Darms erfolgte kurz nach unserer Geburt, und das ist gut so, denn bekanntermaßen brauchen wir die Darmflora, um die Nährstoffe richtig aufzuschließen und unserem Körper verfügbar zu machen.

[*2] Eine ganz wichtige Erfahrung aus meinem eigenen Biologie-Studium: Vertraut niemals dem sachlichen Ton, in dem Ökologen oder die Evolutionsforscher über die "Wechselwirkungen" zwischen den Populationen reden. Ganz tief drinnen sind auch sie parteiisch und betrachten mit fasziniertem Gruseln die schön-schrecklichen Gemetzel und Konkurrenzkämpfe, egal, ob da Einzeller, Ameisen, Efeu, Haie, Schachtelhalm oder Viren zuschlagen.

[*3] ein erhebliches, volkswirtschaftliches teures Problem

[*4] Übrigens resultiert meine Barfuß-Macke NICHT aus persönlichen Fußpilz-Problemen, wie mir vor Jahren mal unterstellt worden ist.

12 Juni 2012

Noch mehr Erfahrungs-Plauderei



Hach, schon wieder diese Nabelschau. Selbstkritischer, innerer Dialog zum Thema meiner Barfußlauferei: Bin ich kapriziös? Süchte ich nach Mittelpunktserlebnissen? Überkompensiere ich frühere Verklemmtheiten?

"Kapriziös" bedeutet launenhaft, unberechenbar. Nee, Barfußlaufen ist keine Laune, nicht bei mir. Das mache ich schon seit Jahren. Der Unterschied ist, dass ich es jetzt konsequenter mache als früher. Gewollt habe ich das schon immer, getraut aber nicht. Dass ich mich jetzt traue, deutet klar auf eine Veränderung meiner Denke hin. "Sapere aude" endlich ohne Geschwiemel und Ausflüchte und Eigentlichs korrekt durchziehen und so. Manche Leute finden es ganz schlimm, wenn Mitmenschen um- und neudenken. Doch, ja, da entsteht schon mal der Eindruck, letztere seien unberechenbar. Dabei ist es nur schlüssige Umsetzung falsifizierbarer, d.h. wissenschaftlicher Ergebnisse. Genau genommen bin ich derzeit eher berechenbarer, unkapriziöser, geworden.

Von wegen "Mittelpunktserlebnis"! Im Gegenteil: Ich spüre den selben natürlichen, tiefverwurzelten Horror davor, sozial auffällig zu sein, wie alle normalen Menschen auch. Nee, die Sucht, im Licht zu stehen, kann ich bei aller gebotenen Vorsicht vor derartigen Selbstaussagen als Motiv ausschließen. Deshalb mache ich selbst auch kein Gewese um Schuhlosigkeit und missioniere auch nicht. Andererseits bin ich vielleicht auch nicht mehr ganz so abhängig von der unbedingten, uneingeschränkten Zustimmung aller meiner Mitmenschen. Wenn sich ein schwerst-pubertierender Hauptschüler über meine harmlose Macke beölt (was bisher übrigens noch nicht geschehen ist, jedenfalls nicht so, dass ich es bemerkt hätte), bitte sehr.

Dumme Leute lachen über das Tao. Würden sie nicht drüber lachen, wäre es nicht das Tao. 
Lao-Tse

Hmmm, die Frage, ob ich mit meiner akuten Barfüßerei überkompensiere, ist knifflig. Meine kindlich-jugendliche Sozialisation war auf jeden Fall ziemlich beamten-bürgerlich, was ich gar nicht sooo übel finde. Aber soll ich  mit 50 Jahren immer noch diese Geschichten als Erklärungmodell eigenen Verhaltens heranziehen? Sollte es mir, da ich damals ja keine schweren Traumata erleiden musste, nicht in den letzten 20, 30 Jahren gelungen sein, eine autarke Persönlichkeit zu entwickeln? Nee, der Erklärungsansatz, ich lebe gegenwärtig übermäßig das aus, was mir früher untersagt war, müffelt allzu streng nach dem toten Freud.

Ich habe eine viel simplere Theorie über mich: Ich war früher einfach zu doof, um über solche Dinge wie Sozialnormen und ihre Sinnhaftigkeit nachzudenken. Und ich war zu faul, zu stumpf und zu bierärschig, eigene Denkergebnisse in verändertes Verhalten umzusetzen.

Ja, das klingt gut. Das klingt richtig. Das klingt nach mir. So kenne ich mich! Passt!

Und ganz zum Schluss der Nabelschau: Ich finde es so super-angenehm, nicht mehr auf Schuhe angewiesen zu sein, dass ich es, je normaler es wird, von Tag zu Tag mehr genieße. Das ganze theoretische Raisonnement ist ja schön und gut. Toll, dass auch die Wissenschaft auf meiner Seite steht. Aber dieses geniale Gefühl täglicher billigster Denk- und Fußfreiheit, das ist einfach oberhammersahnemäßig geil brilliant.



Falls jemand mit dem Adjektiv "oberhammersahnemäßig" nichts anfangen kann: Die Sahne sehen wir mitte-links im Bild, hier in ihrer natürlichen Umgebung, nämlich auf due Cappuccini. Den Hammer-Aspekt hat der Künstler auf gleicher Bildebene, aber mitte rechts in Form zweier hammer-süßer, hammer-leckerer Kuchenteile realisiert, die hammer-schwer im Magen liegen, was man vorher allzu genau weiß, aber ignoriert, weil sie, wie gesagt, so hammer-lecker sind, dass das vernunftbegabte Großhirn schlicht vom instinktbegabten Stammhirn übersteuert wird ... Viareggio, 2010






09 Juni 2012

Blöde Penner



Mit meiner Toleranz für Penner ist es vorbei, seit ich aktuell mal wieder die Hamburger Innenstadt mit den Augen eines Barfüßers erlebte. Glassplitter, Müll, Dreck, ergo Flipflop-Zwang.

Mag ja sein, dass die Obdachlosen mir leid tun sollten, tun sie aber nicht. Wenn ihnen ihre grottige Lebensweise egal ist oder gar gefällt, ist das ihre Sache. Aber im dauer-besoffenen Kopp die Welt der Mitmenschen mitzuverranzen, ist völlig inakzeptabel. Selbstgemachtes Leid ist auch kein Grund für diese arschlöchige Rücksichtslosigkeit. Der Begriff "asoziales Pack" sollte vorsichtig verwendet werden, ist in diesem Fall aber im Wortsinne angezeigt.



Barfüßigkeit macht aufmerksam, nicht wahr?

Nein, was ich hier schreibe, klingt politisch nicht korrekt. Aber es sind nun mal nicht nur die profitgeilen Konzerne und machtgeilen Pollittikörr, die sich mies verhalten.



03 Juni 2012

Die sehr grundsätzliche Frage Nummer Zwei



Im Nachgang zu dem gestern hier veröffentlichten Lang-Text, der Bildgeschichte, habe ich mir überlegt, warum mich das Thema so beschäftigt. Ich schätze, das ist ein Ausdruck auch nach Jahren noch andauernden ungläubigen Erstaunens und der Verblüffung.

Fast vierzig Jahre lang war ich so sicher, dass "man" Schuhe trägt, dass ich nicht mal drüber nachgedacht habe. Auch heute noch prüfe ich sehr kritisch wieder und wieder die wissenschaftliche Fundierung der Thesen zum Barfußlaufen, finde aber keine Widersprüche.

Und nun frage ich  mich natürlich:
  1. Wie ist es möglich, dass ich, obwohl alle Fakten längst verfügbar waren, so lange nicht kapierte?
  2. Welche anderen "Gewissheiten" toben durch meine Birne, Gewissheiten, die mir so selbstverständlich sind, dass ich sie nicht mal mehr wahrnehme, geschweige denn prüfe, die  mein Leben beeinflussen - und total falsch sind?

Ich möchte nochmal klarstellen: Das Barfußlaufen an sich ist mir gar nicht wichtig genug, um einen Blog darüber zu schreiben. Ich will um Himmels Willen nicht missionieren. Möge ein Jeder nach seiner Fasson selig werden.

Aber diese zweite Frage macht mich richtig vogelig. Und deshalb untersuche ich am Beispiel (!!!) Barfußlaufen, was für Prozesse da laufen, die uns den Blick auf die Welt verstellen.

So, eine Woche Blog-Pause!















01 Juni 2012

Bildgeschichte



Vorweg: Bei der folgenden Bildanalyse verwende ich auch Gedanken, die D. Howell in seinem "barefoot book" antriggert. Bitte seid nicht böse, wenn ich im Folgenden nun nicht mehr aufdrösel, was ich von Howell geklaut habe, wo er mich lediglich inspiriert hat und wo ich's ohnehin länger und besser weiß als er, ok? Lest einfach sein Buch. Es lohnt sich.

Bei wiki commons (wo sonst?) fand ich unzufällig dieses Bild, das ursprünglich aus National Geographic, März 1922, stammt.


Die Bildunterschrift lautet "Padaung Cold Weather Costume". Dazu muss man wissen, dass die normale Kleidung dieser im heutigen Myanmar lebenden  Frauen nur in einem leichten Kilt und kiloweise Metallschmuck bestand. Bemerkenswerterweise schützen sich die hier abgebildeten Frauen vor der Kälte durch zusätzliche Stoffbahnen, lassen aber die Füsse frei. Eine Erklärung dafür findet sich hier:

Your hands, your feet, and your head are the areas of the body most involved in the control of body temperature. In an effort to maintain warmth, your body automatically reduces the flow of blood into your extremities, causing them to feel cold. (...) and there is an old adage among campers and mountaineers that "when your feet are cold, put on a hat."  (aus: Ask the doctor; Dr. Alan Berrick; 2012)

Kurzübersetzung: Über Hände, Füße und Kopf wird die Körpertemperatur reguliert. Bei gefühltem Wärmeverlust reduziert unser Körper einfach die Blutzufuhr in die Extremitäten, was dort ein Gefühl der Kälte erzeugt, was wiederum zu der Alltagsweisheit führt: "Hast Du kalte Füße, setz' einen Hut auf."

Die Mädels auf dem Bild haben ihre Körpertemperatur durch wärmende Klamotten geregelt. Das Problem kalter Füße tritt folglich nicht auf, jedenfalls nicht so sehr, dass die Damen sich auch noch die Füße umwickeln müssten.

Wir Nordmitteleuropäer kennen einen ähnlichen Effekt von winterlichen Schneeballschlachten, bei denen wir als Kinder, warm bekleidet, stundenlang barhändig im Schnee wühlen konnten, ohne zu frieren (im Gegenteil), aber schrieen, wenn irgendeine Dummbratze uns Schnee in den Nacken stopfte. Die Hände können die Temperatur regeln, Nacken und Rücken, wo die eiskalte Suppe dann nämlich hinlief, können es nicht. Letzteres empfinden wir daher als voll fies.

So weit, so gut. Nun strengen wir mal unsere Phantasie an und imaginieren zunächst eine Gesellschaft, die überwiegend in Räumen lebt, deren Temperatur stets auf einem Niveau gehalten wird, das den Insassen einen dauerhaft bewegungsarmen Aufenthalt ohne Wärmeverlust erlaubt. Nehmen wir nun zweitens an, ein Insasse begönne, sich zu bewegen, z.B. in den Räumlichkeiten umherzugehen. Der Kreislauf führe hoch, zusätzliche Wärme würde im Körper freigesetzt und müsste - wie beschrieben - über Kopfhaut, Hände und Füße als Temperaturregulatoren abgeführt werden.

Nehmen wir nun drittens an, in dieser Phantasie-Gesellschaft gäbe es eine strikte gesellschaftliche Regel, die es geböte, die Füße dauerhaft in feste, geschlossene Schuhe einzupacken. Folge: Programmierter Hitzestau. Die Mikroorganismen, die unsere gesamte Körperoberfläche zu Hundertausend je Quadratzentimeter besiedeln, freut's. So etwas kann eine Zeit lang, aber niemals auf Dauer ohne Gesundheitsschäden funktionieren.

Und damit sind wir bei einem zweiten Aspekt des obigen Bildes, die scheinbare Halsverlängerung durch die Metallringe, richtiger: Metallspiralen. Wer sich über diese auch heute noch gepflegte Tradition - und die damit verbundenen, zahlreichen Irrtümer - genauer informieren will, kann das gerne tun. Hier nur so viel: Gesund isses nicht!

 (via wiki commons)

Nichtsdestotrotz gibt es in der Padaung-Gesellschaft immer noch einen extrem starken normativen Druck (auf die Frauen), diese Metallspiralen zu tragen und im Laufe des Lebens ständig zu verlängern. Es ist Schwachsinn, es ist gesundheitsschädlich, und es ist eine Frage der gesellschaftlichen Ehre und Anerkennung. Und alle wissen, dass es Schwachsinn ist, und alle machen mit.

Woran erinnert uns das?
...
Ja, okay, auch an die Finanzkrise und auch ans Essen bei Mc Donald's, aber himmelnochmal, hier geht's doch um die Frage Barfußlaufen oder Schuhanziehen, oder?

Worauf ich hinaus will, ist: Schuhe! In unserer Gesellschaft wird das Schuhetragen oder -nichttragen genau so wirksam sanktioniert, wie bei den Padaung das Metallspiralentragen oder -nichttragen!

Und worauf ich eigentlich hinaus will ist: Es gibt soziale Normen, die sind einfach nur arbiträr, d.h. willkürlich, austauschbar, beliebig. Oh ja, wenn man die Padaung nach den Metallspiralen oder die Mitteleuropäer nach den Schuhen früge, dann gäb's natürlich mannigfache Antworten, die sich auf die jeweilige Sozialgeschichte bezögen, auf sicherheitstechnische Gründe, auf Traditionen als Garant gesellschaftlicher Kohäsion, bla, bla, bla. Alle diese Gründe lassen sich ganz zum Schluss auf eine Formel reduzieren: Das macht man so!

Umkehrschluss: Es nicht zu tun, tut man nicht!
Beweis: Alle tun's!
Folgerung: Wer's nicht tut, ist doof.


Gegenfrage: Wie doof muss man sein, dauerhaft etwas mitzumachen, was definitiv schädlich und unlustig ist?

Und was ich ganz eigentlich sagen wollte: Entschuldigt bitte, dass ich das als doof erkannte Spiel nicht mehr mitspiele.





31 Mai 2012

Erfahrungs-Plauderei



Das Barfußlaufen und -joggen betreibe ich ja nun schon seit ewigen Jahren. Aber in dieser Saison sind ein paar selbstgesetzte Beschränkungen gefallen. Keine bewusste Entscheidung, ich habe nicht drüber nachgedacht, habe einfach nur abgrundtief keine Lust mehr, Schuhe anzuziehen, wo keine zwingende Erfordernis ist.

Die mir verbliebenen Schuh-Zonen sind:
  • Fußgängerzonen, versaut durch Massen von Glassplittern und Kaugummiresten. 
  • Supermarkt-Böden, erfahrungsgemäß so dreckig, klebrig und versifft, dass ich da lieber Flipflops überstreife - und mich anschließend frage, warum ich es schaffe, inmitten solchen Siffs Lebensmittel einzukaufen ...
  • Öffentliche Toiletten, der Klospruch "Geh' näher ran, er ist kürzer, als Du denkst!" ist für Männer-Toiletten von ungeahnter Aktualität.
  • Temperaturen unter 10/11 °C, je nach Tagesform.
  • Vielleicht noch hier und da dienstliche Außen-Erstkontakte ...

Ich genieße das Unaufgeregte meiner Schuhlosigkeit. Da ich kein großes Bohei drum mache, tun's meine Mitmenschen auch nicht, nicht mal die Schülerinnen und Schüler.

Habe ich Zweifel? Gelegentlich ja, sonst wäre ich ja ein Idiot. Ich frage mich manchmal, ob das jetzt die Midlife-Crisis, die Wechseljahre oder sonstwas sei. Antwort: Ich weiß nicht, wie Wechseljahre und Midlife- Crisis sich anfühlen, denn bevor man sie hat, kann man auf keine entsprechenden Vergleichswerte zurückgreifen.

Es stecken ein  bisschen "Memento mori" und ein bisschen "Carpe diem" dahinter, dass mir unvernünftige Sozialnormen in letzter Zeit immer mehr auf den Keks gehen. Das Leben scheint mir einfach zu kurz und zu wertvoll, um sich weiterhin mit so einem Mist aufzuhalten.

Ich überlege auch, ob ich nur Spaß daran habe, eine skurrile Macke auszuleben, aber die Faktenlage spricht dagegen und belegt, dass das Barfußlaufen nun mal die rationale Entscheidung ist, das Schuhetragen hingegen nicht. Sofern Ratio zu leben eine Skurrilität ist, was in vielerlei Hinsicht der Fall zu sein scheint, dann bin ich skurril.

Aber zweifelsfrei ist: Round-the-clock-Barfußlaufen macht Spaß, es fühlt sich phantastisch an, belebt, befreit, ist schlau und überhaupt ... 



 1935
Tja, so sind wir Lehrer, ein völlig ausgeflippte Bande. 

Welche Sozialnormen sind vernünftig? Nach welchen wollen wir leben? Welche Vorbilder geben wir unseren Kindern? Mit welchen Konsequenzen?






29 Mai 2012

Tl,dr-Fassung



Da ich in jüngster Zeit weitgehend unbewusst und spontan meinen barfüßigen Lebensraum mehr und mehr erweitert habe, hielt ich es für eine gute Idee, auf meinem allgemeinen Blog ein allgemeine Erläuterung dazu zu placieren, die in Kürzestform wiedergibt, was hier und im "barefoot book" von Howell steht.

Die Reaktionen (auf's Barfußlaufen, nicht auf das Posting) waren übrigens wie erwartet: 92 % Null; 7,5 % erfreut/positiv/interessiert; 0,5 % schwerstpubertäres Gegnicker.


 (via wiki commons)

13 Mai 2012

Hautnah!



Sorry, dass ich hier so lange nichts mehr geschrieben habe und dass jetzt auch nur ein Link auf meinen Alltags-Blog erfolgt, aber der verlinkte Artikel hat sehr viel mit Barfußlaufen zu tun!



09 März 2012

Before the beginning



Da die Temperaturen bald wieder regelmäßig die 10°C-Marke überschreiten werden, möchte ich folgendes Buch empfehlen:



Begründung:

  • Es erklärt ausführlich, konkret und falsifizierbar, warum ich, wann immer möglich, auf Socken und Schuhe verzichte.
  • Es könnte zur je individuellen Prüfung eines allgemein als selbstverständlich hingenommenen, aber womöglich nicht klugen Verhaltens dienen.
 
Für Lese-Allergiker empfehle ich zumindest das Kapitel zur  Mikrobiologie geschlossenen Schuhwerks. :-K     [*1]

Ja, ich besitze dieses Buch und verleihe es auf Anfrage auch gerne.






 [*1] Dieses Emoticon habe ich mir soeben ausgedacht [*2]. Es bedeutet: "Mir wird übel. Das ist ja erschreckend / ungeheuerlich / ekelhaft. Wie blöd ist das denn, diese gesellschaftliche Konvention unhinterfragt zu befolgen ..." 



[*2] Warum sollen das immer nur andere dürfen? Fortschritt funktioniert nun mal so, dass Leute sich was Neues ausdenken.


12 Februar 2012

Ungeahnte Zusammenhänge



Es ist mir in etwa zehn Jahren nur zwei Mal  passiert, dass meine Schuhlosigkeit mit Fuß-Fetischismus in Verbindung gebracht wurde. (Wie unlogisch das ist, habe ich hier schon behandelt.) Von einem nicht sehr hellen pubertierenden Klein-Macho kam die einmalige Assoziation von Barfüßigkeit und Schwulsein.

Eigentlich sind diese Reaktionen ob ihrer Seltenheit und Dämlichkeit zu vernachlässigen. Interessant ist aber ihre Gemeinsamkeit, in einen vom sexuellen Mainstream (was immer das sein soll) abweichenden Bereich zu verweisen. Wird hier eine unbewusste Parallele gezogen, dass, wer in puncto Körperlichkeit gegen überkommene Sozialnormen verstößt, dies auch im Sexuellen tut?

Die ganze problematische Chose mit dem selbstauferlegten Triebverzicht findet letztlich wohl doch im Sexuellen statt. Auch der Neid auf Leute, die nicht darauf verzichten, keine Schuhe zu tragen, wenn es nicht sein muss.



Könnte sein, dass diese Jungs schon gegen reichlich Vorurteile zu kämpfen haben. Die Unterstellung, eine Gruppe schwuler Fußfetischsten zu sein, dürfte aber sie aber trotzdem überraschen.
via wiki commons




28 Januar 2012

Geahnte Zusammenhänge




Was in fundamentalistischen Zurück-ins-Mittelalter-Gesellschaften, seien sie christlich, islamisch, nationalistisch oder sonstwas, in Sachen Bekleidungsnormen abgeht, ist natürlich äußerst bedrückend.

Aber je genauer ich die Sache betrachte, um so mehr komme ich zu dem Schluss, dass uns dort in hoch konzentrierter Form jene Dinge begegnen, die in homöopathischer Verdünnung auch im, ach, so toleranten Mitteleuropa wirksam sind. Ein staatlicher Burkha-Zwang im Islam ist überhaupt nicht mit dem augenzwinkernden Normenverstoß eines hiesigen Barfüssers zu vergleichen. Aber die Prozesse der Entstehung und Tradierung dieser Normen sind - so vermute ich - auf gleiche Grundmuster zurückzuführen. Welche sind das?

Spannende Frage!


                 Wie und warum entstehen Bekleidungsnormen?
                 Wie und warum werden sie weitergegeben?


Bundesarchiv via wiki commons

09 Januar 2012

Selbstzitat, sorry




Eigentlich wollte ich meine Blogs nicht vermischen, aber hier ist ein Thema, das auch für die Barfuß-Frage relevant ist.







Offenbar heikel



Holla, die Waldfee, wenn man sich auf des Barefoot-Professors Blog einmal anschaut, wie im prüden Ami-Land die Diskussionen geführt werden ... Das ist das Niveau von Drei-Wort-Sätzen. (Dass der gute Daniel Howell sich an so einem Geschwurbel überhaupt abarbeitet, ist vielleicht auch keine gute Idee vom ihm.)

Aber folgender Absatz hat mich aufhorchen lassen:

"What is it about bare feet that ignites people so? Mrs. Ford went on to speculate, “Maybe some sexual nuance that escapes me?” I don’t know if that’s the answer (because it escapes me, too), but clearly there’s something. If most of the world has a secret foot fetish it might at least explain the fear religious folks have for baring them. Perhaps passions are aroused because the feet are so sensitive to touch, but then so are the fingers and lips but we have no qualms about exposing those."

Ich glaube, ich muss diesen, meinen Blog doch wieder richtig aufleben lassen, denn die Kernfrage, warum Barfußlaufen für manche Menschen nicht Normalität ist, ist wahrlich noch nicht beantwortet. Da muss ich nochmal ran. Ich vermute, dass wir eine Menge über unsere Gesellschaft lernen können, wenn wir die Widersprüchlichkeiten in diesem Thema dingfest machen.

Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, gute Vorsätze für 2012 zu fassen.









01 Januar 2012

ABC des Hausarztes

Das folgende Zitat erhielt ich via bix. Vielen Dank, bix.

"Unsere Schuhe, die wir tragen, sind ein Kapitel für sich. Der moderne Großstadtmensch, der beinahe nur bekleidete Füße zu Gesicht bekommt, bildet sich ein, der Fuß habe die gleiche Form wie der Schuh. Er sucht sich die Schuhe aus, die er schön findet. Man wird unglücklicherweise in modernen Schuhgeschäften mittels Röntgendurchleuchtung davon überzeugt, wie gut der Fuß in den Schuh passt, wobei man aber nie das Durchleuchtungsbild des unbekleideten Fußes zum Vergleich daneben zeigt.
Der völlig normale Fuß ist nur da zu sehen, wo ausschließlich barfuß gelaufen wird, nämlich bei den Naturvölkern. Über deren schwebend elastischen und schönen Gang haben wir uns schon oft freuen dürfen. Beim Barfußgehen werden die vier letzten Zehen doppelt oder sogar dreimal so kräftig entwickelt wie beim Gehen in Fußbekleidung. Darum kann nicht oft und energisch genug darauf hingewiesen werden, dass man so viel wie möglich barfuß gehen sollte. Nur so wird der Fuß wenigstens einigermaßen normal und arbeitsfähig erhalten bleiben. Besonders Kinder sollten den ganzen Sommer über barfuß laufen.
Dass durch ungeeignete Fußbekleidung überall Hühneraugen, Hautverhärtungen, schiefe und oft eingewachsene Nägel entstehen und dass die Haut der Füße nicht genügend ausdünsten kann, sei nur am Rande vermerkt. Auch aus diesem Grunde sollte möglichst viel barfuß gelaufen werden."
ursprünglich aus: Guido Möring: ABC des Hausarztes; Herder; 1970; S. 135-136